Sein dritter Saisonsieg nach Levi und Alta Badia hätte zugleich sein wertvollster und Österreichs einziger Triumph bei der 70. Auflage der Hahnenkammrennen in Kitzbühel werden können, letztlich musste Reinfried Herbst aber eine bittere Enttäuschung hinnehmen. Der 31-Jährige rutschte im Ganslernhang-Slalom nach Halbzeitführung und kapitalem Fehler im zweiten Durchgang auf den 26. Platz zurück, nachdem er schon im Vorjahr als souveräner Leader in der Entscheidung gescheitert war.
Kitzbühel und Herbst - eine unerwiderte Liebe: "Ich weiß nicht, was da los ist", sagte der 31-Jährige deprimiert. "Es war ganz genau so wie in der vergangenen Saison. Ich führte und fühlte mich vor dem zweiten Durchgang am Start ebenso großartig und sicher, es hat mir richtig getaugt. Und dann passiert wieder so ein Malheur. Im Slalom bewegt man sich eben immer am Limit."
Unerfüllter Kindheitstraum
Dass in Kitzbühel ("Hier zu gewinnen ist ein Kindheitstraum") die Nerven eine entscheidende Rolle gespielt hätten, der Druck vor inoffiziell 30.000 Zusehern - allein sein Unkener Fanclub war mit 600 Leuten angereist - zu groß gewesen sei, schließt der siebenfache Slalomweltcup-Sieger vehement aus. "Das ist für die Zuschauer ein größeres Problem als für mich im Starthaus, da bin ich voll konzentriert und denke nur an meinen Job. Meine Nerven habe ich gut im Griff", sagte Herbst gegenüber ORF.at.
"Vielleicht ein gutes Omen"
?Dabei hatte er den Ganslernhang-Slalom vor Saisonbeginn als großes Ziel neben dem Olympiaslalom ausgerufen. Herbst scheiterte erneut. "Das ist ganz besonders bitter, ein bisschen ein Deja-vu zum vergangenen Jahr. Andererseits vielleicht ein gutes Omen, denn wenn es so erfolgreich weitergeht wie nach der Kitz-Entschäuschung im Vorjahr, dann ist es halbwegs in Ordnung."
Ein Triumph in Schladming am Dienstag könnte den vergebenen Hahnenkamm-Sieg freilich nicht wettmachen. "Dort habe ich schon gewonnen, also ist es nicht so interessant", so Herbst.
"Das wurmt mich ganz brutal"
?"Kitzbühel wurmt mich ganz brutal. Das war mein großes Ziel heuer. Hier wollte ich unbedingt ganz oben stehen, das ist für einen Skifahrer ein Muss. Leider muss ich diese Niederlage hinnehmen. Jetzt nützt das Jammern sowieso nichts mehr", haderte Herbst. Überdies verlor der Salzburger auf dem Ganslernhang auch das Rote Trikot im Slalomweltcup an den in Kitzbühel zweitplatzierten Franzosen Julien Lizeroux. "Und das", ergänzte Herbst, bevor er in den ÖSV-Teambus stieg, "das tut mir zusätzlich weh. Ein Schmarren."
Auf Ausfallstelle speziell vorbereitet?
Was er nach dem entscheidenden Patzer ("Ein Schlag, mit dem ich nicht rechnete, gerade diese Stelle habe ich mir speziell angeschaut und war auf alles vorbereitet) vor der zweiten Zwischenzeit gedacht und wie er sich im ersten Moment danach gefühlt habe? "Das habe ich gar nicht wahrgenommen, weil ich zunächst die paar Schritte zurücksteigen musste. Richtig kapieren werde ich das erst am Abend, was für eine Chance ich da wieder vergeben habe."
"Bin selbstkritisch genug"?
Ausreden ließ Herbst nicht gelten. "Da bin ich selbstkritisch genug, so ein Fehler darf einem Sportler wie mir nicht passieren. Da gibt es kein Wenn und Aber, auch nicht meinen lädierten Rücken oder sonstwas. Im Spitzensport muss man alle Risiken ausschließen können", sagte der Unkener, der nach dem Rennen noch therapeutisch behandelt wurde, danach bei Freundin Manuela und Sohn Felix Kraft tanken und am Montag nach Schladming anreisen wird.
Denn beim Nachtslalom am Dienstag (17.40 und 20.40 Uhr, live in ORF1 und im Livestream) "schaut die Welt vielleicht wieder anders aus".
Michael Fruhmann, ORF.at aus Kitzbühel